Anlegen und Fussball: zwei Welten, so fern und doch so nah
Walter Friedlein ist Leiter Kapitalanlagen der St.Galler Pensionskasse und somit Hüter der rund CHF 10 Mia. Vorsorgevermögen ihrer Destinatäre. Im Privaten ist er ein grosser Fan des FC Bayern München. Aus aktuellem Anlass haben wir ihn anhand einiger klassischer Fussballweisheiten gefragt, inwiefern sich die Welt des Anlegens mit derjenigen des «runden Leders» vergleichen lässt.
Unsere erste Fussballweisheit: «Das Runde muss ins Eckige.» Lässt sich dies auf das Anlagegeschäft übertragen?
Als Pensionskasse stehen wir in der Pflicht, die uns anvertrauten Vorsorgegelder renditeorientiert anzulegen. Schliesslich geht es um die Sicherung der Lebensqualität unserer Rentnerinnen und Rentner. Übersetzen wir «das Runde» mit dem Vorsorgevermögen und «das Eckige» mit der Rendite, dann passt das gut zusammen.
Allerdings gibt es im Anlagegeschäft keine Rendite ohne Risiko. Deshalb gehen wir ausschliesslich «gute» Risiken ein. Ein Beispiel: Sie setzen im Casino Ihr ganzes Spielgeld im Roulette auf Rot. Das ist kein gutes Risiko, denn Sie riskieren viel, um im Verhältnis viel zu gewinnen. An den Finanzmärkten wollen wir jedoch diversifizieren und nicht alles auf eine Farbe setzen. Hinzu kommt, dass wir als Pensionskasse eine führende Rolle in Sachen Nachhaltigkeit einnehmen wollen. Das bedeutet, dass wir auf vermeintlich lukrative Anlagegeschäfte verzichten, wenn sie unsere Nachhaltigkeitsvorgaben nicht erfüllen.
Wie sieht es damit aus: «Wer auf Sicherheit setzt, schiesst keine Tore.»?
Das gilt fürs Anlegen genauso, denn wer sein Vermögen in Zeiten niedriger Zinsen vorwiegend auf dem Sparkonto belässt, wird es nicht vermehren. Aufgrund der Teuerung besteht gar die Gefahr, dass es über die Zeit an Wert verliert. Auf maximale Sicherheit können wir als Pensionskasse insbesondere deshalb nicht setzen, weil wir unser Leistungsversprechen gegenüber unseren Versicherten einlösen wollen und müssen – nämlich die Leistungen im Alter, bei Invalidität und im Todesfall zu sichern. Für uns gilt somit dasselbe wie im Fussball: Ein bisschen nach vorn spielen muss man, wenn man sein Ziel erreichen will.
«Ohne Strategie sind Niederlagen vorprogrammiert.»: Wie stehen Sie zu dieser Fussballweisheit?
Dazu kommt mir das Spiel der Schweizer Nationalmannschaft vom März 2019 gegen Dänemark in den Sinn: Beim Spielstand von 3:0 für die Schweiz in der 84. Spielminute nahm Petković Xhaka vom Feld. 10 Minuten später verliess die Mannschaft das Feld bei einem Endstand von 3:3. Was war passiert? Der Trainer hatte einen Schlüsselspieler aus der Mannschaft genommen. Mit diesem taktischen Eingriff kippte die Strategie und es kam zum besagten Resultat. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, die Strategie sehr konsequent umzusetzen – unabhängig davon, ob die Entwicklungen optimal sind oder nicht.
Nun wissen wir alle, dass es immer zu unvorhersehbaren Ereignissen kommen kann. Unsere Anlagestrategie berücksichtigt dies, indem sie mittels des sogenannten Breitbandenmodells regelt, innerhalb welcher Grenzen Wertschwankungen des Gesamtportfolios erlaubt sind. Die Folgen daraus sehen Sie an unserem Geschäftsergebnis 2020: Trotz der Einbrüche im Frühling haben wir konsequent an der Strategie festgehalten, Schwankungen lediglich innerhalb der Breitbanden zugelassen und so eine gute Gesamtperformance von 4.37 Prozent erzielt.
«Die Teamaufstellung ist entscheidend.»: Wie passen Fussball und Anlegen diesbezüglich zusammen?
Für mich ist das Team in beiden Welten die entscheidende Erfolgskomponente. Mit Team meine ich einerseits diejenigen, die auf dem Platz, sprich direkt an der Front, stehen – bei der sgpk das sieben köpfige Team «Kapitalanlagen», wo jede und jeder seine spezifischen Kompetenzen einbringt. Zudem diskutieren wir Strategie, Massnahmen und Zielerreichung regelmässig im Anlageausschuss sowie im Beirat. Darin vertreten sind Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter sowie ausgewiesene Finanzexperten mit bestem Renommee. Damit fliessen alle relevanten Perspektiven und vielseitige Kompetenzen in unsere Entscheide ein.
Und last, but not least: Wie stehen Sie dazu: «Wir alle sind Fussballexperten.»?
(lacht) Manchmal scheint es, als hätten gewisse Leute eine Glaskugel, mit der sie in die Zukunft blicken können. Fakt ist: Die Finanzmärkte sind komplex und ständig in Bewegung. Es gibt zwar gute Instrumente und Mechanismen, die uns dabei helfen, die Marktentwicklungen besser einzuschätzen, doch es sind und bleiben Prognosen. Unser Credo lautet: modernste und bewährte Systeme nutzen, Erfahrung walten lassen, sich gut vernetzen und Meinungsvielfalt zulassen.
Zu dieser Weisheit gibt es übrigens eine weitere Parallele zwischen Fussball und Anlegen: Lauscht man den Diskussionen am Stammtisch zum Thema Finanzmärkte, dann ist es, wie wenn die Schweiz an der Weltmeisterschaft aufspielt: Spätestens dann haben wir rund 4 Millionen Nationaltrainer in der Schweiz.
Haben Sie Fragen zum Thema?
Walter Friedlein steht Ihnen für weitere Informationen gerne zur Verfügung.
Walter Friedlein
Leiter Abteilung Kapitalanlagen
Telefon +41 58 228 77 93
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