April 2022

Drei Fragen an Walter Friedlein, Leiter Kapitalanlagen

Zuerst Corona, jetzt Ukrainekrise: Die Hoffnungen, dass mit dem Abflauen der Pandemie Normalität einkehrt, haben sich angesichts der Kriegshandlungen Russlands in der Ukraine jäh zerschlagen. Im Interview mit Walter Friedlein, Leiter Kapitalanlagen, erfahren Sie, wie die sgpk die aktuellen Entwicklungen erlebt.

Walter Friedlein, Leiter Kapitalanlagen und Mitglied der Geschäftsleitung

Herr Friedlein, wie geht es Ihnen und Ihrer Pensionskasse in diesen bewegten Zeiten?

Unsere Besorgnis angesichts der jüngsten Ereignisse in der Ukraine ist gross, und das menschliche Leid berührt uns sehr. Wir alle hatten nach den pandemiebedingten Entbehrungen der letzten beiden Jahre auf eine baldige Rückkehr zur Normalität gehofft. Nun ist alles anders gekommen. Vermehrte Nachfragen nach den Auswirkungen der Kriegshandlungen auf unser Anlagegeschäft zeigen, dass sich viele unserer Versicherten Sorgen und Gedanken über die Zukunft machen. Deshalb möchte ich es gleich vorwegnehmen: Unsere Anlagestrategie sieht vor, dass wir unsere Vermögenswerte breit diversifiziert und sehr langfristig anlegen. Damit halten wir die Risiken tief, respektive wir verteilen sie auf verschiedene Anlageinstrumente, Branchen oder Weltregionen. Unser langfristiger Anlagehorizont trägt dazu bei, Krisen über den Faktor Zeit durchstehen. Ein weiteres bewährtes Instrument ist zudem das Bandbreitenkonzept. Es hilft dabei, mit unvorhersehbaren Ereignissen konsistent umzugehen. Der Blick in die Vergangenheit gibt uns recht: 80 Prozent unserer Performance erreichten wir jeweils über die stringente Einhaltung unserer Anlagestrategie.

Betreffend Ukrainekrise kommt hinzu, dass wir lediglich in einem geringen Ausmass in russische Wertpapiere investiert sind. Konkret sind es 0.08 Prozent unseres gesamten Anlagevolumens. Damit ist unser Russlandengagement insbesondere im Vergleich zu anderen schweizerischen Pensionskassen äusserst tief. Selbstverständlich sind auch wir den Verwerfungen an den Finanzmärkten ein Stück weit ausgesetzt. Unter dem Strich können wir aber festhalten, dass wir mit unserer tendenziell konservativen Anlagestrategie, bewährten Instrumenten und einem hochprofessionellen Team aus internen und externen Spezialisten auch in diesen äusserst herausfordernden Zeiten sehr solide aufgestellt sind.

Apropos Anlagestrategie: Aktuell führen wir eine sogenannte Asset Liability Management-Studie, kurz ALM-Studie, durch. Sie dreht sich um die finanzielle Situation, die Finanzierbarkeit sowie die Risikosituation unserer Pensionskasse. Dieser Prozess stand sowieso auf der Agenda. Dass wir ihn just in diesen Zeiten durchlaufen, sehen wir als Vorteil.

Besteht nicht die latente Gefahr, dass Sie nun viel zu konservativ planen?

Vor wenigen Wochen hätte wohl niemand gedacht, dass öffentlich darüber diskutiert wird, ob künftig wieder in die Verteidigung oder in die Rüstungsindustrie investiert werden soll oder muss. Vielmehr lagen aufgrund der schwächelnden Wachstumsraten in Europa Investments in Schwellenländer im Kurs. Mit dem heutigen Wissen ist die Welt eine komplett andere geworden, und die Krise hat «blinde Flecken» zu Tage geführt. Diese Erkenntnisse sind für die Entwicklung unserer Anlagestrategie wertvoll. Sie zeigen, dass wir uns bei der Strategiefindung an einer Zukunft orientieren müssen, die ungewiss ist und bleibt. Daher gilt es, Möglichkeiten und Instrumente für eine rasche Anpassungsfähigkeit zu schaffen, damit wir sowohl auf Chancen als auch auf neue Herausforderungen zeitnah reagieren können.

Auf der anderen Seite hat sich die Sinnfrage akzentuiert: Worin und in welchem Ausmass wollen wir künftig investieren? Oder im Umkehrschluss: Können und wollen wir es uns leisten, gewisse Länder, Unternehmen oder Währungen komplett aus unserem Anlageportfolio auszuschliessen, wenn wir beispielsweise annehmen müssen, dass sie unsere Vorstellungen von Machtverteilung, Menschenrechten oder Gendergerechtigkeit nicht teilen? Solche Diskussionen begleiten uns intensiv durch den laufenden ALM-Prozess. Um die Eingangsfrage zu beantworten: Es geht in erster Linie darum, aus den Erfahrungen die richtigen Schlüsse zu ziehen und Instrumente zu schaffen, damit wir gut gerüstet in die Zukunft schreiten.


Welchen Stellenwert geniesst das Thema Nachhaltigkeit heute noch?

Wir sind es unseren Versicherten und allen Generationen schuldig, dass wir uns unverändert und konsequent für eine nachhaltige Anlage der uns anvertrauten Vorsorgevermögen engagieren. Letztes Jahr haben wir unsere Nachhaltigkeitsstrategie für die Kapitalanlage erarbeitet. Sie sieht vor, dass wir sämtliche Anlagekategorien konsequent entlang der vier Nachhaltigkeitskriterien Unternehmensführung, Soziales, Umwelt und Ökonomie überprüfen. Hierfür haben wir ein eigenes Scoringmodell entwickelt. Damit sind wir in der Lage, die Vorsorgevermögen unserer Versicherten in einer guten Balance von Sicherheit, Nachhaltigkeit und Rendite anzulegen. Ich bin überzeugt, dass dieser Weg richtig ist – gerade in Zeiten wie diesen, wo wir alle angehalten sind, für eine friedliche, gesunde und erstrebenswerte Zukunft einzustehen.

Haben Sie Fragen zum Thema?

Walter Friedlein steht Ihnen für weitere Informationen gerne zur Verfügung.

Walter Friedlein
Leiter Bereich Kapitalanlagen
Telefon +41 58 228 77 93
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